MARCK, W. von der (1894)
Vierter Nachtrag zu "Die fossilen Fische der westfälischen Kreide"
Palaeontographica, 41: 41-48, pl. 5
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Abermals hat die schon Jahrhunderte lang bewährte Fundstelle westfälischer Kreidefische, die zwischen Münster und Coesfeld gelegene Hügelgruppe der Baumberge, die auf ihre fernere Ergiebigkeit gegründete Hoffnung zur Wahrheit gemacht; einer Hoffnung, welche hei einer früheren Arbeit – Palaeontographica Bd. 31, S. 235, Abs. 2 - schon Ausdruck gefunden hat.
Die Steinbrüche am östlichen Abhange der Baumberge in der Nähe des Dorfes Schapdetten haben im Jahre 1892 einen für die Kreide Westfalens neuen Elasmobranchier aus der Sippe der Batoideen geliefert, dessen Erhaltungszustand zwar nicht überall ein gleich guter, aber ein in seiner Kopf- und Brustgegend so befriedigender ist, dass seine Unterbringung in eine der bekannten Familien und Gattungen dieser Sippe ohne Bedenken erfolgen konnte.
Das einzige bis jetzt aufgefundene Exemplar dieses Fisches ist Eigenthum des der bewährten Fürsorge des Herrn Geheimen Rath Prof. Dr. HOSIUS anvertrauten mineralogisch-paläontologischen Museums der königl. Akademie zu Münster, wo es neben den bisher in der jüngeren Kreide Westfalens aufgefundenen Elasmobranchiern eine neue Zierde dieser Anstalt bildet.
Unterklasse: Elasmobranchii, BONAP.
Ordnung: Plagiostomi, ML.
Unterordnung: Batoidei, ZITTEL (ZITTEL, K. A. Handb. der Palaeontologie. I. Abth. Poliozoologie. llI. Bd., S. 93)
Familie: Rhinobatidae, ZITTEL.
Gattung: Rhinobatus, BLOCH.
Unter den fossilen Rhinobatiden sind es wesentlich drei Gattungen, die zu einer Vergleichung mit unserem Fische herangezogen werden können. Von diesen gehören Spathobatus (Spathobatus mirabilis WAGN. von Eichstädt (ZITTEL a. a. O. S. 103.) und Asterodermus platypterus (Palaeontographica Bd. Vll. S. 9, Taf. I. Fig. 1) den lithographischen Schiefern des oberen Jura Süddeutschlands und Frankreichs (Spathobatis Bugugesiacus THIOLLIÈRE Aus den lithographischen Schiefern von Cirin in Frankreich) an. Von Arten der Gattung Rhinobatus sind aus der Kreide des Libanon, neben dem schon durch PlCTET und HUMBERT bekannt gewordenen Rh. maronita (Nouvelles recherches sur les poissons fossiles du Mont Liban. pag. 113, PI. XIX.) noch fünf Arten von DAVlS beschrieben, nämlich:
Rhinobatus grandis,
Rhinobatus latus,
Rhinobatus expansus,
Rhinobatus intermedius,
Rhinobatus tenuirostris. (Dr. JAMES W. DAVlS: The fossil fishes of the Chalk of Mount Libanon in Syria; in: The scientific Transactions of the Royal Dublin Sociely. Vol. III (Ser. II) Pag. 487. pI. XIX).
Aber auch aus älteren, den süddeutschen lithographischen Schiefern nahestehenden Schichten ist eine dieser Gattung angehörende Art: Rh. obtusatus O.G. COSTA (Paleontologia delle Provincie Napolitane. Appendice la. Napoli, 1865. pag. 108, Taf. C) in den oberjurassischen Fischplatten von Pietraroja im Neapolitanischen gefunden. Neben den Rhinobatiden der Kreide verdienen, wie bereits erwähnt, zur näheren Vergleichung die oberjurassischen Gattungen Spathobatus und Asterodermus und vielleicht die eocäne Trigorhina de Zignoi HECK. vom Monte Bolca genannt zu werden. Die zuletzt genannte: weil die eocäne Fischfauna des Monte Bolca überhaupt manche Ähnlichkeit mit den westfälischen Kreidefischen besitzt. Leider ist mir weder eine genaue Abbildung noch eine Beschreibung der Trigorhina zur Hand. Asterodermus platypterus AG. von Eichstädt hat nach einem von Herrn Prof. v. ZlTTEL in München freundlichst mitgetheilten Gypsabgusse eine so hervorragende Ähnlichkeit in der ganzen Körperform, dass auf eine genauere Vergleichung eingegangen werden muss, wenngleich ein wesentliches Kennzeichen, welches AGASSlZ zur Aufstellung der Gattung Asterodermus Veranlassung gegeben hat, unserem Fische fehlt. Eine ebenso grosse Berücksichtigung verdient WAGNER'S Spathobatis mirabilis von Eichstädt.
Vor allem aber müssen die Rhinobatiden der Kreide und von diesen wiederum in erster Linie der, wie es scheint, durch eine schlankere Körperform und ein sehr verlängertes Rostrum ausgezeichnete Rhinobatus tenuirostris DAVIS das wichtigste Vergleichsmaterial hergehen. Die übrigen von DAVlS beschriebenen Rhinobatus-Arten des Libanon eignen sich wegen ihrer mangelhaften Erhaltung oder wegen ihrer abweichenden Körperform weniger zur Vergleichung.
Aus den durch Körperform und übereinstimmendes geologisches Vorkommen begründeten Verwandtschaft habe ich geglaubt, unseren Fisch seinen Genossen aus der oberen Kreide um so mehr zugesellen zu müssen, als auch die Gattungen Spathobatus und Rhinobatus kaum verschieden sein dürften.
Rhinobatus tesselatus (Wegen der mosaikartig zusammenstehenden quadratischen Chagrinkörperchen) v. d. MARCK. - Taf. V, Fig. 1. 2. 3 und 4.
© J. Pollerspöck, www.shark-references.com
Holotypus, Geologisch-Paläontologisches Institut der Universität Münster, Nr. 376
Von diesem Fische ist an der oben bezeichneten Lokalität bis jetzt ein einziges Exemplar und auch dieses in nur unvollständiger Erhaltung aufgefunden. Von seinen Bauchflossen sind nur Bruchstücke, von der Wirbelsäule mit ihren Anhängen nur einzelne Wirbel, sowie Abdrücke derselben erhalten. Der hintere Teil des Schwanzes ist abgebrochen, so dass es nicht möglich ist, die Länge desselben ganz genau (Vergl. Taf. V, Fig. 2.)
und die Anzahl der Wirbelkörper auch nur annähernd festzustellen. Nicht im Zusammenhange mit dem Hauptexemplar, aber doch in dessen unmittelbarer Nähe ist noch ein 14,5 cm langes Stück, welches mit der Schwanzflosse endet, gefunden, so dass man mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dieses Bruchstück als zum Hauptexemplar gehörend betrachten kann. Ob außerdem zwischen den beiden Bruchstücken noch ein weiteres Stück fehlt, ist vorläufig nicht zu ermitteln.
Die Länge des größeren Bruchstückes beträgt 53 cm, wozu man noch die Länge des Schwanzstückes mit 14,5 cm hinzurechnen darf, so dass die TotaIlänge des Fisches auf 67,5 cm zu schätzen ist. Die größte Breite des Rumpfes in der Breitenausdehnung der Brustflossen beträgt 22,5 cm. Die Totallänge des Schwanzes beträgt unter Hinzurechnung des Bruchstückes 32,5 cm. Seine größte Breite, gleich hinter den Bauchflossen, misst 4 cm, von wo dieselbe allmählich nach hinten zu abnimmt. An der Bruchstelle des Hauptstücks beträgt sie 1,8 cm und mit der nämlichen Breite setzt sich der Schwanz in dem kleinen Bruchstücke fort, dessen Ende durch die Schwanzflosse etwas breiter gewesen sein dürfte.
Der vordere Teil des Fisches ist besser erhalten. Der aus Kopf und Brustflossen bestehende Teil des Rumpfes besitzt eine rhomboidische Form mit einem nicht unerheblich verlängerten Rostrum. Das letztere ist zwar länger wie bei den verwandten Asterodermus platypterus AG. und Spathobatis mirabilis WAGN., allein weniger lang wie bei Rhinobatus tenuirostris DAVIS, wie folgende Messungen ergaben.
1. Die Breite des Kopfes in der Gegend der Maulspalte verhält sich zur Entfernung der letzteren von der Spitze des Rostrums:
bei Asterodermus platypterus wie 1 : 0,90
bei Spathobatis mirabilis wie 1 : 0,83
bei unserem Fische wie 1 : 1,06
bei Rhinobatus tenuirostris: wie 1 : 2,60
2. Die Entfernung der Spitze der Brustflossen von der Spitze des Rostrums beträgt:
bei Asterodermus platypterus 12 bis 13 cm
bei unserem Fische 13 cm
bei Rhinobatus tenuirostris 20,4 cm.
3. Acht Centimeter hinter der Spitze des Rostrums beträgt die Breite des letzteren:
bei Asterodermus platypterus 7 cm
bei unserem Fische 7,5 cm
bei Rhinobatus tenuirostris 1,8 cm
4. Ein Centimeter hinter der Spitze des Rostrums beträgt die Breite des letzteren:
bei Asterodermus platypterus 2,4 cm
bei unserem Fische 1,2 cm
bei Rhinobatus tenuirostris 1,0 cm
Die Lage des Fisches ist die bei den fossilen Batoideen gewohnte Rückenlage, so dass Augen, Nasen- und Spritzlöcher nur als undeutliche Abdrücke auf der Unterseite des Fisches zu erkennen sind. Sehr deutlich hingegen treten auf jeder Hälfte der Unterseite je fünf Kiemenlöcher mit ihren Bögen hervor.
Von den Spitzen der obersten Brustflossenstrahlen an ist das Rostrum von einer Chagrinhaut eingefasst, die sich über den größten Teil der Unterseite des Fisches fortsetzt und an der Peripherie der Brustflossen, den Knorpelbändern des Brustgürtels, der Umgebung der Maulspalte etc., besonders gut erhalten ist. Diese Chagrinhaut besteht aus winzigen quadratischen und mosaikartig zusammengesetzten Körperchen, deren Seiten kaum 0,25 mm messen (Vergl. Taf. V, Fig. 3.).
An der Spitze des Rostrums bemerkt man unter diesen winzigen Körperchen noch eine Schicht stärkerer Quadrate von mindestens 0,50 mm Durchmesser, deren Ecken mehr gerundet erscheinen (Vergl. Taf. V, Fig. 4.);
ob diese die Abdrücke der jedenfalls stärkeren Chagrinhaut der Oberseite des Fisches darstellen?
Die Maulspalte ist gegen 5 cm lang, sigmaförmig gebogen und lässt eine Anzahl kleiner, rautenförmiger, gegen 0,50 mm breiter Pflasterzähnchen erkennen.
Die deutlich hervortretenden Kiemenlöcher mit ihren Bögen sind schon oben erwähnt.
Die Brustflossen sind in ihrem Umfange gut erhalten. Ihre Länge beträgt 16 bis 18 cm; ihre Breite, vom Propterygium an gemessen, 7 cm. Letzteres besteht aus wohlerhaltenen, kräftigen Knorpeln, während die übrigen Knorpel des Schultergerüstes zerdrückt und verworfen erscheinen. Die Anzahl der Flossenstrahlen ist nicht mit Sicherheit anzugeben; ebenso wenig kann man eine deutlich ausgedrückte Articulation erkennen, wenn gleich Andeutungen davon auf den hinteren Teilen der Flossen vorhanden zu sein scheinen. Die einzelnen Strahlen verbreitern sich in ihrem Verlaufe nach der Peripherie zu. An beiden Seiten der Wirbelsäule bemerkt man Eindrücke schwächerer Knorpel, welche in schräger Richtung der Wirbelsäule zustreben und ebenfalls zur Kräftigung des Schultergerüstes beigetragen zu haben scheinen.
Von den Bauchflossen sind nur undeutliche Reste erhalten. Sie müssen keinen erheblichen Umfang gehabt haben; ihre größte Breite betrug - soweit eine Messung gestattet war - einschließlich des zwischenliegenden Teiles des Rumpfes, 11 cm, während die Breite der Brustflossen, in ähnlicher Weise gemessen, fast das Doppelte beträgt; ein Verhältnis, wie es sich bei Spathobatis mirabilis WAGN. wiederholt. Bei Asterodermus platypterus AG. ist diese Flosse noch schmäler. Die Länge der Flosse kann kaum 5 cm betragen haben. - Vom Beckengürtel fehlt jede Spur.
Weitere Flossen sind nicht sichtbar; nur die Schwanzflosse, die das Ende des Schwanzbruchstücks bildet, besitzt hier eine Länge von 8 cm. Ihr unterer Teil ist nur unvollständig erhalten, so dass ihre Breite nicht sicher anzugeben ist.
Wie schon angeführt, ist auch der Erhaltungszustand der Wirbelsäule ein sehr mangelhafter, so dass die Zahl ihrer Wirbel nicht angegeben werden kann. Unter Berücksichtigung der vielen kleinen Schwanzwirbel mag die Gesamtzahl wohl nicht unter 125 gewesen sein. Die ersten, gleich hinter dem Schultergürtel sichtbaren Wirbel erscheinen kleiner, wie die folgenden. Von letzteren besitzen die ersten, so weit ihre Größe sich feststellen lässt, eine Länge von 3,50 mm bei einer Breite von 5 mm. Hier bemerkt man auch die Abdrücke weniger Rippen.
Mit diesem Fische sind in der oberen Kreide Westfalens folgende Elasmobranchier vertreten, wenn die Funde einzelner Zähne nicht mitgerechnet werden:
Unterklasse: Elasmobranchii, BONAP.
Ordnung: Plagiostomi, MÜLL.
Unterordnung: Squalidae, MÜLL.
Familie: Scyllia, MÜLL.
Gattung: Thyellina, MÜNST.
Art: Th. angusta, MÜNST. (AGASSZS. Poiss. foss. III, pag. 378, Tab. 39, Fig. 3. V. D. MARCK.
Palaeontogr. XXII, S. 64, Taf. II, Fig. 6.)
Gattung: Palaeoscyllium v. d. M.
Art: P. Decheni v. d. M.·(Palaeontographica Bd. XI, S. 68, Taf. VIII, Fig. 6 u. 7.)
Familie: Squatinidae ZITTEL.
Gattung: Squatina DUMERIL.
Art: Sq. Baumbergensis v. d. M.·(Palaeontographica Bd. XXXI, S. 264, Tar. XXV, Fig. 1-5.)
Unterordnung: Batoidei ZITTEL.
Familie: Rhinobatidae ZITTEL.
Gattung: Rhinobatus BLOCH.
Art: Rh. tesselatus v. d. M. (Palaeontographica Bd. XLI, S. 42, Taf. V, Fig. 1-4.)
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